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Dr. Peter Niehenke
Stellungnahme zu dem Buch
Die Akte Astrologie von Gunter Sachs

(Goldmann Verlag, München 1997)

Der Anspruch des Buches ist nicht gerade niedrig gesteckt:

"Die Annahme, daß zwischen Tierkreiszeichen und menschlichem Verhalten ein Zusammenhang bestehe, war bisher eine Glaubensfrage. Unvoreingenommen geht Gunter Sachs das Problem nun mit Hilfe der Statistik an. Und er führt Schritt für Schritt den Beweis: Astrologie ist kein Mythos. Sie beruht auf meßbaren Grundlagen." (Klappentext)

Wenn man sich bereits seit langer Zeit mit astrologischer Forschung beschäftigt, liest man Behauptungen wie diese mit einem gewissen Erstaunen. Zum einen wird der Eindruck erweckt, dass bisher noch nie der Versuch gemacht worden sei, mit statistischen Methoden den Wahrheitsgehalt astrologischer Aussagen zu überprüfen. Zum anderen wird behauptet, es sei ein "Beweis" geführt worden. Beides ist aber schlicht falsch.

In den Wissenschaften gilt es nicht ohne Grund als Selbstverständlichkeit, zu Beginn einer Studie zunächst den aktuellen Forschungsstand zu recherchieren. Gunter Sachs hat sich anscheinend mit astrologischer Forschung noch nie beschäftigt ("... aber weder Cent noch Kopeke wurden meines Wissens je in eine mathematisch-statistisch fundierte Astrologie-Forschung gesteckt.", (*1), sonst würde er wissen, daß es Hunderte von statistischen Studien zur Astrologie gibt, die sich darüberhinaus teilweise, wie bei ihm, auf ein beachtlich umfangreiches Datenmaterial stützen. Für diejenigen, die sich ein klein wenig auskennen, mögen das Stichwort "Mars-Effekt" und der Name Michel Gauquelin als Hinweise genügen. Es hätte seiner Studie sehr gut getan, wenn er sich mit früheren Versuchen, auf diesem Wege astrologische Behauptungen zu belegen, ein wenig beschäftigt hätte. Möglicherweise hätte dies zu mehr Vorsicht, mehr kritischer Distanz den eigenen Ergebnissen gegenüber geführt, so daß er der dieser Studie zugrundeliegenden Täuschung weniger leicht aufgesessen wäre.

Auf der anderen Seite haben in der Wissenschaftsgeschichte durchaus häufiger sog. "Außenseiter" fundamental neue Erkenntnisse vorgelegt, die oft genug nur deshalb nicht ernst genommen wurden, weil es sich eben um "Außenseiter" handelte, die zudem Erkenntnisse, die zur jeweiligen Zeit vom wissenschaftlichen Establishment allgemein anerkannt wurden, in Frage stellten. Insofern ist die fehlende Rezeption bisheriger Ergebnisse astrologischer Forschung durch Gunter Sachs auch nur von relativer Bedeutung. Die Studie hat es trotz der beschriebenen Mängel inbezug auf die Wissenschaftlichkeit des Vorgehens also durchaus verdient, ernsthaft geprüft zu werden.

Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil ihr ein für astrologische Studien sehr ungewöhnliches öffentliches Interesse zuteil wird. Nicht einmal der renommierte Wissenschaftler Hans-Jürgen Eysenck erregte in den 70er Jahren dieses Aufsehen, als er eine Studie vorlegte, die ebenfalls einen Zusammenhang zwischen den Tierkreiszeichen und menschlichen Eigenschaften nachzuweisen schien. Sachs hat aber wohl mehr Möglichkeiten publizistischer Art, als es Eysenck hatte (*1). In Sachs' Fall nehmen sich nun diverse Talk-Shows der Materie an und in Zeitschriften, von denen man es nicht unbedingt erwarten würde, erscheinen aus Anlaß dieser Studie ausführliche Interviews mit ihm (*2). Uns Astrologen könnte eine solche Werbung ja eigentlich nur mehr als willkommen sein, und so schmerzt es mich ein wenig, daß ausgerechnet ich als Astrologe gezwungen bin, darauf hinzuweisen, daß die Ergebnisse dieser Studie eine "Täuschung" sind, die Folge eines Denkfehlers.

Der Fehler ist übrigens recht einfach zu durchschauen:

Nehmen wir an, in einer beliebigen von Gunter Sachs untersuchten Gruppe (etwa der Selbstmörder) verlaufe die Geburtenhäufigkeit über ein Jahr hinweg entsprechend der hier abgebildeten Kurve (die Argumentation ist vom Kurvenverlauf praktisch unanbhängig und läßt sich auf beinahe jede andere Form des Verlaufs analog übertragen). (*3)

Abbild 1

Die Kurve könnte z. B. so entstanden sein, daß man für jeden Tag des Jahres die Anzahl der Geburten in der untersuchten Gruppe in dieses Koordinatensystem einträgt. Die Verbindung dieser 365 Punkte ergäbe dann diese Kurve.

Sachs faßt nun alle Tage, die zu einem bestimmten Tierkreiszeichen gehören, zusammen, so daß er anstelle der 365 einzelnen Tageswerte jeweils einen Summenwert pro Tierkreiszeichen erhält. Und anstelle einer Kurve aus 365 Punkten erhält er eine Kurve aus 12 Punkten, die die Geburtenhäufigkeiten in den 12 Tierkreiszeichen darstellt.

Abbild 2

Wie bei unserer Ausgangskurve (der täglichen Verteilung der Geburten) auch nicht anders zu erwarten, erhält Sachs nun natürlich für jedes der 12 Tierkreiszeichen unterschiedliche Geburtenhäufigkeiten, und die finden wir auch in seinem Buch alle aufgelistet. Die Unterschiede sind, da die Verteilung in der Tat recht ungleichmäßig ist, ausgesprochen "signifikant" (statistisch bedeutsam). (*4)

In der folgenden Abbildung wurde nun anstelle der Einteilung des Jahreslaufs in 12 Tierkreiszeichen einfach die Einteilung des Jahres in 12 Monate gewählt. Inbezug auf unsere Grafik bedeutet das, daß wir unser Raster, das auch in diesem Fall aus Abschnitten von je 30 Tagen besteht, einfach um einige Tage nach rechts oder links verschieben (links in der Grafik vom 21. März, dem Frühlingsbeginn und Beginn des Tierkreises, auf den 1. April). Durch diese Verschiebung verändern sich natürlich die Häufigkeiten in jeder dieser 12 Gruppen, d. h. die auf die Monate bezogenen Häufigkeiten sind selbstverständlich andere als die auf die Tierkreiszeichen bezogenen Häufigkeiten. Die grüne Linie zeigt wiederum die neue aus nur noch 12 Punkten bestehende Kurve.

Abbild 3

Auch hier ergeben sich zwischen den 12 Gruppen hochsignifikante Unterschiede der Häufigkeiten, diesmal beruhend auf den Monaten anstelle von den Tierkreiszeichen.

Wie man nun leicht sehen kann, würde jede mögliche Einteilung des Jahreslaufes zu hochsignifikanten Abweichungen zwischen den einzelnen Gruppen einer solchen Einteilung führen. Das ist deshalb so, weil die Verteilung der Geburten über das Jahr eben nicht gleichmäßig ist.

In anderen Worten: Mit der von Sachs gewählten Methode könnte ich auf der Grundlage des immer gleichen Datensatzes die Wirksamkeit "völlig gegensätzlicher Einteilungen des Jahreslaufs beweisen", wenn als Beweis genügen würde, daß es einfach irgendwelche Abweichungen zwischen den einzelnen Gruppen gibt. Solche Abweichungen gibt es aber immer, da die Verteilung der Geburten eben nicht gleichmäßig ist. Man kann also mit dem vorliegenden Datenmaterial sowohl beweisen, "daß die Tierkreiszeichen wirken", als auch, "daß die Monate wirken", als auch, "daß die Stationen des Indischen Mondkalenders wirken" oder der siderische Tierkreis anstelle des von Sachs (und den meisten Astrologen) verwendeten tropischen Tierkreises usw.

Fazit: Gunter Sachs hat durch seine Studie zwar nachgewiesen, daß die Verteilung der Geburten über das Jahr hinweg in den von ihm untersuchten Gruppen nicht gleichmäßig ist und von der statistisch zu erwartenden Verteilung signifikant abweicht. Dies ist bemerkenswert, nur hat dies (noch) nichts mit den Tierkreiszeichen oder der Astrologie zu tun! Ob es damit etwas zu tun hat, müßte gesondert gezeigt werden. So, wie die Ergebnisse von Gunter Sachs jetzt vorliegen, sind sie zwar statistisch interessant aber astrologisch irrelevant. Sie sind weit davon entfernt, ein "Beweis" für die Astrologie zu sein - und ich persönlich bin auch überzeugt, daß auf der Grundlage dieser Daten nicht die geringste Chance für einen solchen Beweis besteht.

Meine Überzeugung gründet sich darauf, daß bei dieser Untersuchung durch die Beschränkung auf das Zeichen der Sonne (also auf die populäre Tierkreiszeichen-Typologie anhand des Geburtstags) die biologisch mächtigen jahreszeitlichen Zyklen als schwer kontrollierbare Stör-Varibalen in die Untersuchung einfließen. Man kann so die astrologische Typologie von rein (jahres-)zeitlichen Schwankungen der Geburtenraten nicht trennen. Dies wäre bei Einbeziehung weiterer astrologischer Faktoren anders, da die Umlaufrhythmen der Planeten nicht synchron zu diesem, mit dem Lauf der Sonne zusammenhängenden, besonders mächtigen Rhythmus der Jahreszeiten laufen.

Wie war dieser Denkfehler möglich?

Gunter Sachs hat sich ja der Mithilfe des Statistischen Instituts der Universität München versichert. Wie ist es möglich, daß die Fachleute dort auf meinen hier beschriebenen Einwand nicht gekommen sind?

Die statistische Auswertung bei dieser Untersuchung ist sicher fehlerfrei, daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Das Problem, das ich hier beschrieben habe, ist kein statistisches Problem im engeren Sinne: Wenn ein Statistiker eine Untersuchung anstellen würde, wie das Wahlverhalten mit dem Geschlecht zusammenhängt, dann würde er nie auf die Idee kommen, anhand der Ergebnisse dieser Untersuchung "beweisen" zu wollen, daß es unterschiedliche Geschlechter gibt.

Wie hätte man es besser machen können?

Wenn man zeigen würde, daß von allen möglichen Einteilungen des Jahreslaufes die Einteilung in die Tierkreiszeichen die signifikantesten Unterschiede bei den Geburtenhäufigkeiten produzieren, dann wäre dies ein sehr starkes Argument dafür, daß die beobachtete Ungleichverteilung der Geburtenhäufigkeiten mit der Tierkreiszeichen-Typologie zusammenhängen muß. Selbst das wäre ürbrigens, wie jetzt hoffentlich deutlich geworden ist, noch immer kein "Beweis" - aber es wäre zumindest ein sehr starkes Argument.


Anmerkungen:

[*1] "So ganz einfach ist es nicht, hierzulande den Mitmenschen etwas Lesenswertes zugänglich zu machen - sei es, um sie aufzuklären, oder nur aus persönlicher Eitelkeit". (Gunter Sachs in: "Ein Quentchen Wahrheit", DIE ZEIT, Nr. 24, 9. Juni 1995)

[*2] "Nach den Sternen greifen", DER SPIEGEL 40/1997, S. 163 ff

[*3] Es muß korrekterweise eigentlich heißen: Die Abweichung von der zu erwartenden Geburtenhäufigkeit", denn Sachs hat selbstverständlich berücksichtigt, daß die Geburtenrate in der Gesamtbevölkerung über das Jahr hinweg auch nicht gleichmäßig verläuft.

[*4] Die grün gezeichnete Linie entspricht übrigens den durchschnittlichen täglichen Geburtenhäufigkeiten in jeder einzelnen dieser 12 Klassen. Die von Sachs verwendeten Summen erhält man aus dieser grünen Kurve einfach dadurch, daß man jeden Wert mit der Anzahl der Tage des entsprechenden Tierkreiszeichens (also mit etwa 30) multipliziert. Um im Maßstab der Grafik bleiben zu können, wurde hier der tägliche Mittelwert der Geburtenhäufigkeit gewählt: Da der Faktor, mit dem man diesen Mittelwert multiplizieren muß, aber für alle Gruppen in etwa derselbe ist (immer etwa 30, mal ein Tag mehr, mal ein Tag weniger), bleibt der Kurvenverlauf dadurch unverändert.


[Siehe auch: ==> "Sachs versus Volkszählung" - Weitere Beispiele zu dieser Stellungnahme]


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