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"Die Akte Astrologie"

Kontroverse

TV-Sendungen mit dem Astrologen Dr. Peter Niehenke







Auszüge aus:
ASTROLOGIE - Mythos und Macht der Sterne
GEO, Heft Mai 2001


Weitere Auszüge (der erste Teil des Artikels beschäftigt sich mit der indischen Astrologie) finden Sie auf der GEO-Homepage.



"Die Astrologie erhält ihre Faszination und ihre belegbare therapeutische Fruchtbarkeit durch die Verbindung mit einem genialen System großer Differenziertheit, das möglicherweise auch ohne, realen Bezug ... bei der Suche nach dem eigenen Selbst hilfreich sein kann."
Peter Niehenke
in dem Buch "Kritische Astrologie"

6200 Kilometer von Delhi entfernt, sitzen vier Frauen und ein Mann in einem Zimmer, Kissen mit Tierkreiszeichen im Rücken, Computerausdrucke vor sich auf dem Tisch. Fachvokabular fliegt durch den Raum: "Venus im Trigon zum Krebsmond", "Saturn-Pluto-Quadrat". Zehn Augen blicken auf ein Wirrwarr bunter Linien und Symbole, das für Laien so schwer zu dechiffrieren ist wie babylonische Keilschrift oder die Schicksalsorakel des mexikanischen Tonalamatl. Stirnen runzeln sich angesichts eines "dissonant abseitigen Saturn", der für "existenzielle Prüfung" steht. Langsam kristallisiert sich aus der Strichgrafik das Bild einer Persönlichkeit heraus, in der viel Talent schlummert, aber auch eine Tendenz zu gestörter Kommunikation; die einen riesigen inneren Kosmos beherbergt, aus dem schwer etwas nach außen dringt.

"Eine große Sprengladung", resümiert eine Teilnehmerin. "Ein sehr markantes Horoskop", nickt Peter Niehenke, der die Supervisionsgruppe in Freiburg organisiert. Der Psychologe war zehn Jahre lang Vorsitzender des mit rund 1000 Mitgliedern größten deutschen Astrologenverbands DAV und leitet das auf seine Initiative entstandene DAV-Forschungszentrum. Zur Astrologie ist er gekommen, als er seiner Mutter den "abergläubischen Unsinn austreiben" wollte. Sie hatte ein ausführliches schriftliches Horoskop bestellt und er, der kritische 25-Jährige, orderte zum Spaß für sich gleich eins mit. "Danach war ich buchstäblich geplättet, was diese Frau aus Bayern, die mich nie gesehen hatte, über mich wusste."

Mit seinem ungebärdigen Lockenschopf und den großen lebhaften Augen hinter der Brille wirkt Niehenke noch mit 51 jungenhaft und wissbegierig. Er mag es, "an der Grenze dessen, was man noch verstehen kann, zu operieren". Deshalb hatte er angefangen, Mathematik und Physik zu studieren; deshalb wechselte er zur Psychologie und begann, sich nebenbei intensiv mit Astrologie zu beschäftigen, deren Image im "Mainstream der Wissenschaft höchstens von dem der Prostitution zu unterbieten" ist. Es faszinierte ihn, dass ernst zu nehmende Wissenschaftler sie dennoch untersuchten und schätzten: Hans Eysenck, Carl Friedrich von Weizsäcker und Psychologen wie Carl Gustav Jung und Fritz Riemann.

In den Regalen des Freiburger Forschungszentrums prallen die Meinungen, durch Buchdeckel getrennt, aufeinander. Neben astrologischen Standardwerken stehen die Vertreter der kritischen Theorie aufgereiht: Habermas, Marcuse und Adorno. Der verspottete die Astrologie als "verzweifelten Kurzschluss", um "dem Sinnlosen irgendeinen verborgenen und grandiosen Sinn" zu verleihen. Ihr Trick sei "lediglich die Art, wie sie die unter sich beziehungslosen, isoliert rational behandelten Sphären der Sozialpsychologie und Astronomie vereint".

Ich wäre nicht so unbescheiden gewesen, mir für einen 40minütigen Vortrag ein solches Ziel zu stecken, wenn das Motto dieses Kongresses und mein an dieses Motto angelehnte Vortragsthema mich nicht dazu zwingen würden: Wie soll ich den Beitrag der Astrologie zu einem ganzheitlichen Verständnis des Menschen würdigen, wenn ich nicht weiß, was ich unter einem ganzheitlichen Verständnis des Menschen verstehen soll?

Mit 3200 Fragebögen a 425 Fragen hat Peter Niehenke den Computer der Freiburger Universität gefüttert, um in seiner Dissertation solchem Hohn zum Trotz einen statistischen Zusammenhang zwischen Planetenkonstellationen und Persönlichkeit nachzuweisen - vergebens. Dass er der Astrologie dennoch treu geblieben ist, liegt an "Evidenzerlebnissen, die so intensiv sind, dass ich nicht daran vorbeikomme". Immer wieder neue Klienten rufen in der Beratung betroffen, verblüffl, begeistert, bestürzt aus: "Das ist erstaunlich! Wie können Sie das wissen?"

Fünf Dimensionen entscheiden

Für Profi-Astrologen wie Niehenke sind Zeitungsbanalitäten a la "Der Löwe in Ihnen lechzt nach Futter" eine Beleidigung. Erst die Kombination kosmischer Variablen schaffe, so sagen sie, Farbe, Nuancen-Reichtum, Intensität. Fünf Dimensionen spielten eine Rolle:

  • Sonne, Mond und acht Planeten symbolisieren die Kräfte, die eine Person antreiben; welche Qualitäten ihnen zugeschrieben werden, ist seit der Frühzeit der Astrologie überliefert. Venus steht beispielsweise für Harmonie, Mars für Kampf und aktive Bewältigung, Sonne für Ganzheit.
  • Wie sich diese von den Planeten ausgehenden Antriebe in einer Person konkretisieren, hängt vom Tierkreiszeichen ab, in dem diese Planeten zum Zeitpunkt der Geburt stehen. So gilt die Venus im Widder als Hinweis auf den Hang zu stürmischem Genuss, während sie im Krebs auf ausgiebigen und in den Zwillingen auf flüchtigen Genuss deutet. Die zwölf Tierkreiszeichen sind für Dynamik und Temperament einer Person zuständig. Der Zwilling ist als "bewegliches Luft-Zeichen" kommunikativ und ablenkbar. Der Stier, das "fixe Erd-Zeichen", beharrlich-bodenständig.
  • Der Aszendent, das Tierkreiszeichen, das zum Zeitpunkt der Geburt am Horizont im Osten auftaucht, markiert den individuellsten Punkt des Horoskops. Seine Stellung verschiebt sich alle vier Minuten um ein Grad. Der Aszendent sagt aus, wie dieser Mensch in die Welt tritt: Wie geht er, wie schaut, gestikuliert, wie spricht er?
  • Die zwölf Felder oder Häuser stehen für bestimmte Lebensbereiche; das vierte zum Beispiel für Herkunft und Familie, das sechste für Arbeit und Beruf.
  • Die Aspekte bezeichnen die Winkelbeziehungen der Planeten untereinander: Konjunktion (0 Grad), Trigon (120 Grad), Sextil (60 Grad) stehen für gegenseitige Ergänzung; Quadrat (90 Grad), Opposition (180 Grad), Halbquadrat (45 Grad) und Eineinhalbquadrat (135 Grad) für Spannung.
Sinnstiftung im Chaos

Was ist die eigene Bestimmung im Leben? Wie kann man es ertragen, eine/r von sechs Milliarden zu sein? Während der vedische Astrologe seinen Kunden den optimalen Weg durch abgestecktes Terrain weist, ist der abendländische ein Begleiter durch ein Labyrinth, in dem sich das Individuum zu verlieren droht. Nur 15 Fragen bei Günther Jauch unterscheiden den Niemand vom Millionär - aber den biblischen Schöpfergott hat der Urknall entthront, der Dax kriselt, die Kühe sind wahnsinnig. Nur die Sterne stehen immer noch tröstlich am Himmel wie in jener Vorzeit, als der Mensch sich selbst zum ersten Mal getrennt vom Rest des Universums wahrgenommen hat. Jeden einzelnen Moment kennzeichnet ein besonderes Lichterspektakel. Den Augenblick, in dem das "Ich" seine Reise in das Leben beginnt, als Orientierungspunkt für sein Schicksal zu begreifen, mag im schönsten Wortsinn "aus Luft gegriffen" sein. Attraktiv ist die Idee allemal.

"Wie oben, so unten; wie unten, so oben" - so lautet der uralte Schlüsselsatz der Astrologie. Ihn mit wissenschaftlichen Erkenntnissen in Einklang zu bringen (ver)führt zu gewagten Theorien. Einige Astrologen meinen, dass Wellen aus dem Kosmos, genauer: jeweils von bestimmten Planeten den Menschen in homöopathischer Dosis erreichen und auf ihn einwirken. Andere vermuten, der Mensch werde in eine "Licht- und Strahlungsumgebung" hineingeboren, die auf das Drüsensystem wirke. Und es gibt die Schock-Impuls-These, nach der Menschen lebenslang Kraftfelder mit sich herumtragen, die durch den Geburtsschock geprägt worden sind.

Früher Ideengeber der psychologisch-symbolischen Richtung war der Astronom Johannes Kepler ( 1571-1630). Er sprach von einem "instinctus geometricas" des Menschen. Wie musikalische Harmonien Schwingungen in der Seole auslösten, so erzeuge die "Melodie der Planeten" Resonanz. Ein raffinierter Vergleich. Immer sind es ja nur Schallfrequenzen, die ans Ohr dringen - beim Schubertlied, bei Heavy-Metal-Bässen, beim Blöken eines Schafes, beim Stimmengewirr im Kaufhaus, beim Motorensound eines Formel-1-Rennens. Manche lösen tiefe Emotionen aus, andere rauschen vorbei.

Geburtsmoment nach Wahl?

In welche kosmischen Resonanzen er eingebettet wird, entscheidet nach der psychologischen Variante der Astrologie der Geborene selbst: "Ein Mensch verrät seine Natur durch seine Vorliebe für einen bestimmten Geburts-Augenblick", heißt es in Niehenkes Reclam-Band "Astrologie". Der Fötus warte auf den "maximalen kosmischen Auslösereiz". Dass Föten nach neueren Forschungsergebnissen ihre Geburt durch Hormonausschüttung tatsächlich aktiv mit einleiten, sieht der Autor als Bestätigung für diese Theorie; Geburtshoroskope für Menschen, die nicht auf ganz natürliche Weise zur Welt kommen, sondern nach Weheneinleitung oder per Kaiserschnitt, lehnt er ab.

Im Fall der natürlichen Geburt spiegelt sich die individuelle Eigen-Art in den Chiffren des Horoskops. Mit deren Entschlüsselung "quält sich der Astrologe", wie Peter Niehenke sagt, "wie mit einem schwierigen mathematischen Beweis". Neptun steht im 5. Haus - sind schöpferische Gestaltung und Spiritualität ein Lebensthema? Venus befindet sich im 8. Haus und gleichzeitig im Wassermann - hat also Abschied, Loslassen in Beziehungen besondere Relevanz? Signalisiert die Opposition von Jupiter und Neptun eine diffuse Unzufriedenheit?

Kosmische Sphären für Chaos im eigenen Leben mitverantwortlich zu machen und die "Flucht in einen vorgeblich höheren Bereich" anzutreten, wie Theodor Adorno formulierte, wirkt entlastend. Astrologisch orientierte Psychologen kontern, dass Horoskope als Selbsterkenntnis-Instrument dienen können. Die reiche Metaphernsprache erlaube es den Deutenden, Konflikte und Abgründe des Klienten anzusprechen, ohne Schuldgefühle zu wecken.

Selbst psychische Störungen erscheinen nicht als bedrohliches Erbe unbewältigter Kindheitstraumata, sondern als interessante Zeichen, die auf dem Astrogramm vermerkt sind und zum eigenen Leben gehören. Im Idealfall führt der prüfende Blick nach innen zu tiefer Selbsterkenntnis.

Selbst psychische Störungen erscheinen nicht als bedrohliches Erbe unbewältigter Kindheitstraumata, sondern als interessante Zeichen, die auf dem Astrogramm vermerkt sind und zum eigenen Leben gehören. Im Idealfall führt der prüfende Blick nach innen zu tiefer Selbsterkenntnis.

"Es gibt diese Spannungen im eigenen Horoskop, die man körperlich und seelisch fühlt", beschreibt der Schweizer Kunstmäzen und frühere Germanistik-Professor Walter Voegeli den Reiz der Auseinandersetzung. "Ich spüre ein Mond-Jupiter-Trigon oder ein Quadrat der Sonne zum Saturn und frage: ,Wo will das mit mir hin?'" Der heute 77-Jährige kannte den berühmten Tiefenpsychologen Carl Gustav Jung noch persönlich, ist mit einflussreichen Astrologen wie Wolfgang Döbereiner und Thomas Ring zusammengetroffen und hat sowohl die Astrologie als auch die Psychoanalyse genutzt, um die eigenen psychischen Konstellationen, Neigungen, Konflikte auszuloten.

"Mit Peter Niehenke nahm er Kontakt auf, "um die Astrologie noch fundierter am eigenen Leben zu studieren". Ergebnis: Wieder ein "unerhörter Sprung vorwärts" auf dem Weg, "den Menschen, die Gestalt, die ich werden will, begreifen zu können". Die jahrelangen Sitzungen auf der Analytiker-Couch empfindet Voegeli als "teuren Umweg" auf dieser Reise: "So ehrlich man sich geben mag, man verweist bei der Psychoanalyse manches doch in eine Tabuzone." Im Horoskop seien die Probleme dagegen "visualisiert, man kann sie anschauen, fruchtbar machen, mit ihnen streiten oder Frieden schließen. Es ist ein Gespräch mit einem Bild". Sein Berater ist zufrieden: "Wenn Astrologie ein Irrtum ist, dann einer der raffiniertesten der Geschichte", sagt Peter Niehenke.

"Sie gelangen zu den Wurzeln Ihrer Identität, indem Sie in die Tiefen der menschlichen Psyche hinabsteigen... Sie lieben es, die Dinge, die zu tun sind, gut ZU machen... Sie arbeiten genau und gründlich und erledigen Ihre Arbeit Stack für Stack ... Ihr Weg zum Zenit kann lang sein, jedoch ist die Ernte entsprechend groß."
Auszüge aus dem Computer-Horoskop des Mörders Fritz Haarmann.

Was nützlich und faszinierend ist, muss nicht wahr sein. Schon in vorchristlicher Zeit führten Astrologie-Skeptiker Argumente an, die noch heute aktuell sind. Karneades von Kyrene (21-129) gab zu bedenken, dass am selben Ort und zur selben Zeit Geborene dasselbe Horoskop, aber unterschiedliche Schicksale hätten. Menschen dagegen, die gemeinsam in einer Schlacht oder bei einer Katastrophe stürben, teilten trotz ganz unterschiedlicher Horoskope das gleiche Schicksal.p>

Auch das Phänomen der Präzession, durch die sich die Tierkreiszeichen verschoben haben, ist schon seit Jahrhunderten ein beliebter Einwand gegen die Astrologie. Die Astrologen halten dagegen, dass die Tierkreiszeichen für sie nur symbolische Namen für Abschnitte im Jahreslauf seien, der nach ihrer Setzung immer mit dem Frühlingspunkt beginne. Für sie ähnelt diese Ubereinkunft einer Vereinbarung wie der Sommerzeit.

Andere Schläge treffen die Astrologie härter, zum Beispiel jenes heimtückische und vielsagende Experiment, das der Franzose Michel Gauquelin ersann. Er köderte Interessenten 1979 per Annonce in der Zeitschrift "Ici Paris" mit einer kostenlosen, angeblich persönlichen astrologischen Analyse - und schickte dann allen das gleiche Horoskop. 141 der 150 Beteiligten, die als erste eine Rückmeldung gaben, erklärten dennoch begeistert, die Deutung entspreche genau ihrer Persönlichkeit. Der makabre Clou: Das ausgewählte Horoskop war das des 1946 hingerichteten Massenmörders Marcel Petiot.

Das WDR-Fernsehen wiederholte den Versuch im Jahr 1997. Als "Eclipse-Astro-Forschungsgruppe" getarnt, verschickte die Redaktion an mehr als 200 Interessierte statt eines persönlichen Computer-Horoskops ein für den am 25. 10. 1879 um 18 Uhr in Hannover geborenen Mörder Fritz Haarmann erstelltes. Das Ergebnis glich dem Gauquelins: 74 Prozent der Teilnehmer fanden ihren Charakter "korrekt beschrieben", 15 weitere jubelten sogar: "Perfekt, es stimmt alles."

"Evidenzerlebnisse sind bei richtigen Horoskopen nicht stärker als bei falschen", bestätigt der Religionssoziologe Edgar Wunder aus Sandhausen bei Heidelberg, der rund 500 einschlägige Untersuchungen zur wissenschaftlichen Prüfung der Astrologie studiert hat. Nicht der Oben-Unten-Zusammenhang mache es möglich, die eigene Persönlichkeit in einem Horoskop wiederzufinden, sondern ein "komplexes Geflecht von Psychomechanismen", deren Suggestivkraft sich kaum jemand entziehen könne.

Wie die "subjektive Erfahrung von Stimmigkeit" zustande kommt, die Edgar Wunder "das Lebenselixier" der Astrologie nennt, ist inzwischen präzise belegt. Schon 1974 wies Rick Snyder, heute Psychologie-Professor an der Universität Kansas, den "Pseudo-Individualisierungs-Effekt" nach. Probanden in drei Gruppen erhielten jeweils den gleichen 19-zeiligen Text aus einem astrologischen Bestseller (Einstieg: "Sie haben einen sehr praktischen Zug und mögen es, Geld zu verdienen ..."). Teilnehmern der Gruppe A wurde erzählt, es handele sich um eine allgemeine Persönlichkeitsbeschreibung. Gruppe B bekam zu hören, ihr Geburtsmonat sei angesprochen. Die Versuchspersonen aus Gruppe C erfuhren, der Text sei ein für ihr individuelles Geburtsdatum errechnetes Horoskop.

Diese letzten Probanden ließen sich von der Beschreibung weitaus am stärksten beeindrucken. Auf die Frage, ob sie den eigenen Charakter treffe, vergaben sie auf einer Skala von 1 (kaum) bis 5 (exzellent) den Wert von 4,38. Damit lagen sie mehr als eine Note über dem Ergebnis der Gruppe A. Die Erklärung: Wer sich ganz konkret angesprochen fühlt, liest Texte selektiv, lässt sich von Ubereinstimmungen verblüffen und überliest Unpassendes.)

Der so genannte "Barnum-Effekt" verstärkt diese Tendenz zur Selbsttäuschung noch. Namensgeber ist der amerikanische Zirkus-Direktor Phineas Barnum, der die Kunst beherrschte, "jedem etwas" zu bieten. Der Satz "Sie arbeiten genau und gründlich und erledigen Ihre Arbeit Stück für Stück" scheint auf makabre Weise auf den Massenmörder Haarmann zugeschnitten zu sein - wenn man weiß, dass er aus dessen Horoskop stammt. Aber wer würde ihn nicht für sich selbst unterschreiben? Psychologen kennen viele Barnum-Vokabeln, mit denen sich jeder anfreunden kann: aufrichtig, einfühlsam, empfindungsfähig, freiheitsliebend ...

Als nächste Tücke lauert die "Verifizierungsfalle". Wenn ein Widder-Geborener mit dem Kopf durch die Wand will oder eine Waage ausgleichend wirkt, wird das als typisch registriert. Dass dieselbe Person Facetten besitzt, die nach der "Astro-Logik" eher beim Krebs- oder beim Löwetyp zu erwarten wären, fallt unter den Tisch.

Der empfindlichste Schlag gegen die Astrologie sind Zuordnungstests. Dabei müssen die Horoskop-Deuter feststellen, dass sie in ihrer ureigenen Domäne versagen, der Charaktertypologie. Bei der bekanntesten derartigen Studie, die das Wissenschaftsmagazin "Nature" 1985 veröffentlichte, erhielten die Teilnehmer, renommierte amerikanische Astrologen, drei Persönlichkeitsprofile. Aufgabe war es, das derjenigen Person herauszufischen, deren genauen Geburtszeitpunkt sie kannten, deren Horoskop sie also errechnen konnten. Reines Raten hätte 33,3 Prozent Trefferwahrscheinlichkeit ergeben. Die Astrologen, die selbst am Studien-Design mitgewirkt hatten, waren sicher, mindestens 50 Prozent zu erreichen. Tatsächlich lagen sie am Ende bei 34 Prozent, also fast exakt bei der Zufallswahrscheinlichkeit.

Selbst Sternen-Stars versagen

Zuordnungstests sind in verschiedenen Variationen wiederholt worden, mit Star-Astrologen und mit Außenseitern - und immer mit demselben niederschmetternden Ergebnis. Peter Ripota, der neben seiner Arbeit als Redakteur der Zeitschrift "P.M." Mitglied in zwei deutschen Astrologenverbänden ist, beschrieb im Jahr 1996 einen aufschlussreichen Selbstversuch. Mit einem Kollegen stellte er sich die Aufgabe, zehn Geburtsternnine zehn Fragebögen zuzuordnen, in dem die Befragten Details über Hobbys, Krankheiten, Talente, Wunschträume verraten hatten.

Auf den anfänglichen Optimismus angesichts des reichhaltigen Materials folgte die Krise. Es half beispielsweise wenig, wenn jemand im Fragebogen Verdauungsprobleme gestanden hatte - nach astrologischer Lehrmeinung können diese, je nach Entstehungsort, typisch für Krebs, Jungfrau, Skorpion, Zwilling oder Widder sein. Einer der Befragten hatte homosexuelle Neigungen offenbart - kosmische Indizien dafür fanden sich gleich in Horoskopen von vier Beteiligten.

Ripota schreibt: "Wir fühlten uns ein wenig wie Biologen, die zehn ähnliche Menschen allein auf Grund ihrer Gene erkennen sollten." Der Tester tröstete sich über sein wenig rühmliches Ergebnis (zwei Treffer) damit hinweg, dass auch Genetiker nur bestimmte Veranlagungen erkennen, aber nichts darüber sagen können, ob sie im Leben relevant werden.

Passt der Löwe zum Widder?

Als wissenschaftlich bedeutsamste Belege für die Gültigkeit der Astrologie galten lange Zeit Planeteneffekte des Michel Gauquelin. Der Franzose, der auch das Massenmörder-Experiment erdacht hatte und zeitlebens der Astrologie unvoreingenommen zu begegnen versuchte, fand heraus, dass bei bekannten Sportlern der Mars zur Geburtsstunde überdurchschnittlich häufig in zwei Sektoren stand: Er war entweder gerade aufgegangen oder hatte seinen Zenit gerade überschritten. Bei Medizinern und Wissenschaftlern war es der Saturn, der besonders oft in jenen Sektoren zu finden war.

Aber trotz Gauquelins untadeligem Ruf sind dessen Daten inzwischen umstritten - unter anderem, weil viele aus einer Epoche stammen, in der Geburtszeiten nicht verlässlich zu ermitteln waren. Auch Gauquelin selbst fand "seinen" Effekt bei nach 1950 Geborenen nicht mehr". Damit fehlt trotz jahrzehntelanger Forschung jeglicher empirische Beleg für astrologische Theorien.

Daran ändert auch die "Akte Astrologie" nichts, mit der Gunter Sachs 1997 Furore machte. Der studierte Mathematiker mit der Playboy-Biografie ließ riesige Geburtsdaten-Mengen aus verschiedenen Quellen per Computer analysieren und signifikante Abweichungen vom Durchschnitt ausweisen. Weil diese Abweichungen tatsächlich vorkamen, glaubt Sachs bereits den "statistischen Nachweis" geführt zu haben, "dass Sternzeichen... einen gewissen Einfluss auf das Verhalten von Menschen ausüben".

Im Ergebnis des kuriosen Sammelsuriums des Gunter Sachs tendieren Steinböcke zu Drogenhandel und Maurerjobs. Stiere sind besonders häufig in Unfälle verwickelt. Waagen können sich nicht mit dem Lehrerberuf anfreunden. Schützen neigen zum Autodiebstahl. Skorpione sind überdurchschnittlich häufig Singles und Coiffeure. Löwemänner heiraten besonders gern Widderfrauen, während sich Löwefrauen sehr gern von Widdermännern scheiden lassen. Fische sterben selten an Erkrankungen der Harnorgane, sind dafür suizidgefährdet ...

Während Mathematiker des Statistischen Bundesamts die Sachsschen Zahlen bestätigten, halten Kritiker aus verschiedenen Lagern deren Interpretation für methodisch fragwürdig. "Ungezüge1t" kausal, nennt sie der Statistik-Professor Herbert Basler. "Irrelevant, an der Sache vorbei", urteilt der Astrologe Peter Niehenke. "Aus sozialwissenschaftlicher Sicht dilettantisch", meint der Soziologe Edgar Wunder. Die auf den ersten Blick vorteilhaft erscheinenden besonders großen Stichproben begünstigten so genannte "Dreckeffekte", also zufällige, nicht interpretierbare Abweichungen. So ergab die nach Geburtsdaten aufgeschlüsselte Unfallstatistik einer anderen als der von Sachs gewählten Versicherung eine völlig andere Häufigkeitsverteilung.

Wertvoll auch ohne Beweise?

Der Astrologie-Kritiker Edgar Wunder hat das "Forum Parawissenschaften" gegründet, in dem Astrologen und Skeptiker konstruktiv streiten. Er selbst gesteht der Astrologie Charme beim psychologischen Erfassen von Persönlichkeitsschattierungen zu. Davon, sie "ausradieren" zu wollen, hält der Religionssoziologe nichts: "Unsere Gesellschaft produziert am laufenden Band Probleme, die nach solchen Antworten schreien." Für ihn stellt "Astrologiegläubigkeit" in modernen Gesellschaften, in denen die Bindung an die Kirche verloren geht, einen Religionsersatz dar.

Die aktuelle Situation erscheint paradox: Die Branche floriert, während manche Astrologen wissenschaftlich fundierte Kritik sehr ernst nehmen. Bei einem für Juni 2001 geplanten Symposium in Freiburg wird "Ein neues (Selbst-) Verständnis der Astrologie?" auf dem Programm stehen. Die Fragestellung lautet: "Was machen wir, wenn wir schließlich eingestehen müssen, dass alle unsere Versuche einer Objektivierung des Zusammenhangs zwischen kosmischem Geschehen und menschlichem Schicksal letztlich scheitern? Bleibt dann nur der Rückzug auf ,Astrologie als Glaubenssystem', einer religiösen Uberzeugung vergleichbar? Oder gibt es Möglichkeiten, der Astrologie einen Wert zu geben, der unabhängig vom Ergebnis solcher empirischer Studien ist?"

Unbeeindruckt von solchen Uberlegungen wächst die Zahl derjenigen, die dem Sternzeichen eines Menschen "Einfluss auf den Verlauf seines Lebens" zugestehen. In Westdeutschland waren das l99l erst 28 und 1998 scnon 41 Prozent. Astrologie ist beliebt - nur selten als Tiefsinn, eher als Unterhaltung, als Typologie in Kontaktanzeigen, als Auswahlkriterium fürs Personal. Eine Umfrage der Zeitschrift "Capital" unter deutschen Führungskräften ergab, dass 35,1 Prozent der Business-Elite "esoterische Mittel zur Entscheidungsfindung nicht spontan ablehnen". Der skeptische Rest erhielt Astro-Nachhilfe: "Der einfache Stier liebt es, sein Geld zu zählen (braune Tausender)" / "Das Feuerzeichen Schütze ist bei der Geldanlage mutig"... "Das Fische-Zeichen gehört zum Element Wasser" und ... "hat eine Neigung zu Getränken und ihren Aktien".


[Picture GEO-Grafik]

Dass sich das Sternzeichen schicksalhaft auswirkt, glauben besonders viele Bürger ehemals sozialistischer Länder. In Deutschland trifft das nicht zu: Während im Westen 41,2 Prozent die obige Frage mindestens mit »wahrscheinlich« beantworten, finden das im Osten nur 23,7 Prozent. Das bringt Gesamtdeutschland ins Mittelfeld der Astrologie-Gläubigkeit.


Schon im Jahr 1996 versuchten die Deutschen Planetarien in einer gemeinsamen Erklärung, den Astrologieboom einzudämmen. Fast beschwörend hieß es in einer Stellungnahme: "Die Sterne lügen nicht. Sie können gar nicht lügen. Uber unser persönliches Schicksal sagen sie nämlich gar nichts aus. - Menschen sind ein Augenblicksereignis in der rund 20 Milliarden Jahre alten Geschichte des Universums ... Diese Erkenntnis hat eine tiefe Kränkung der Menschheit zur Folge."

Stimmt. Andererseits besitzen die Gekränkten die einzigartige Neigung, jene Gesetze zu ergründen, die ihr Schicksal mit den Milliarden Sonnen im Himmel verbindet. Und sie haben die Fantasie, ihr Weltverständnis nicht nur in Formeln auszudrücken, sondern auch in Bildern und Mythen. Weiser als der Streit um die Sterne bleibt jedenfalls die Geisteshaltung des Suchens, die schon die Babylonier beseelt hat, als sie die Omensammlung ihres Herrschers Assurbanipal anlegten.



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